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Am Freitag, den 26.05.2023, fand ein Praxisworkshop auf dem Betrieb der Familie Stelling in Bremervörde statt. Der Betrieb wurde dieses Jahr auf intensive Umtriebsweide umgestellt und bot den 15 Teilnehmenden, darunter eine Fachschulklasse sowie Berufsschullehrer zweier regionaler Berufsschulen, die Möglichkeit, sich tiefergehend mit der praktischen Umsetzung des Weidesystems auseinanderzusetzen. Die intensive Umtriebsweide ist eine Art der Weideführung, die besonders interessant für Betriebe ist, die ihre Kühe im Vollweidesystem halten möchten. Die Tiere erhalten auf den meisten Betrieben ein- bis zweimal täglich eine neue Weideparzelle mit frischem Aufwuchs.
Zu Beginn der Veranstaltung gab Kilian Obermeyer (Universität Vechta/Göttingen) eine Einführung in die Berechnung des Weideflächenbedarfs. Ziel war hierbei, die Grundfutterleistung zu maximieren und die Kühe tiergerecht auszufüttern. Der Wachstumsverlauf des Grases spielt bei der Zuteilung der Flächen eine zentrale Rolle. Im Frühjahr, wenn die Wachstumsrate z.B. bei ca. 90 kg Trockenmasse (TM) pro Hektar (ha) liegt, wird weniger Weidefläche benötigt als im Sommer, wenn das Gras langsamer wächst. Für den Landwirt ist die Herausforderung, die Weidefläche ständig an das Graswachstum anzupassen.
Eine Entscheidungshilfe kann der sogenannte Futterkeil sein, welcher eine Veranschaulichung aller Parzellen samt ihres jeweiligen Aufwuchses zeigt. Dieser ermöglicht dem Landwirt, den Kühen täglich Futter von hoher Qualität zuzuteilen und auch auf Variationen im Graswachstum flexibler zu reagieren, als dies z.B. bei intensiver Standweide möglich ist.
Der optimale Zeitpunkt für die Beweidung eines Aufwuchses ist die Weidereife. Diese ist erreicht, wenn die komprimierte Aufwuchshöhe des Bestandes 8-12 cm beträgt, was dem 2-3-Blatt-Stadium eines von deutschem Weidelgras dominierten Bestandes entspricht. Gemessen wird die Aufwuchshöhe im Idealfall mit einem Rising Plate Meter. Die modernen Geräte können die Höhe direkt in Trockensubstanz umgerechnet ausgeben. Die in empirischen Versuchen entwickelte Berechnungsformel lautet:
(komprimierte Aufwuchshöhe x 243 kg TM) - 105 kg TM
Die Formel wurde spezifisch für den nordwestdeutschen Raum ermittelt, erklärte Obermeyer. Nach Abzug des Weiderests, der pauschal mit 1.000 kg TM/ ha veranschlagt werden kann, bleiben je nach Aufwuchshöhe noch 1000-1300 kg TM/ha als Futter zum Grasen übrig. Bei Kenntnis des Futterbedarfs der Herde kann nun die Größe der Fläche errechnet werden, die die Kühe für einen Tag zugeteilt bekommen müssen.
Um zu sehen, wie das System in der Praxis aussieht, ging die Gruppe anschließend über die Weiden hinter dem Milchviehstall. Über 40 ha arrondiertes Grünland auf größtenteils moorigen Böden, stehen für die Beweidung zur Verfügung. Zunächst wurde auf dem Teilstück, wo die Kühe zuletzt gegrast haben, der Weiderest begutachtet. Dieser sollte im Frühjahr 3,5-4 cm Aufwuchshöhe nicht übersteigen (im Sommer 5-6 cm). Das sei ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg, betonte Projektleiterin Lisa Oehlert (Grünlandzentrum Niedersachsen/Bremen e.V.). Was die Kühe beim ersten Umtrieb nicht gefressen haben, fressen sie auch in den darauffolgenden Weidegängen nicht. Der Weiderest wird mit der Zeit holzig, nicht gefressene Blätter am Triebgrund sterben ab und faulen. Da der Weiderest des Vortages die vorgesehene Höhe von 3,5 cm leicht überstieg, wurde vorgeschlagen, die nächsten Flächen zur Beweidung etwas knapper zu bemessen. Dies ist auch im Hinblick der Erhaltung der Futterqualität über die Saison hinweg wichtig und verhindert unnötiges Nachmähen.
Ein Höhepunkt der Veranstaltung war die Demonstration und das Ausprobieren des Rising Plate Meters. Mit diesem Gerät wird auf dem Hof Stelling der Grasaufwuchs aller Flächen wöchentlich bestimmt. Das liefert die Datengrundlage, die ein effizientes und tierwohlfreundliches Management erst möglich machen. Durch die digitale Vernetzung mit einer Mobiltelefon App ist die Bedienung arbeitsschonend, es wurde aber auch ein günstigeres, analoges Modell vorgestellt. Einzelne Teilnehmer konnten die Geräte testen und waren von der Einfachheit begeistert. Noch auf der Fläche wurde die Futtermenge berechnet, die benötigte Fläche für den nächsten Tag bestimmt und direkt mit einem Mobilzaun abgesteckt. Von großem Interesse war auch die spezielle Haspel mit Übersetzung, die das tägliche Abzäunen von Teilflächen im Vergleich zu älteren Standardhaspeln deutlich erleichtert.
Nach der Mittagspause wurden verschiedene Geräte und Techniken zum Weidezaunbau gezeigt, die in Deutschland eher unbekannt sind, so z.B. ein spezieller Drahtabroller für den stabilen Stahldraht, der beim Bau von Festzäunen empfohlen wird. Gezeigt wurde auch der Kettenspanner, der zwei Drahtenden (z.B. eines durchgerissenen Drahtes) so fixiert und spannt, dass eine Reparatur mühelos möglich ist. Allgemein sollte Draht am Eckpfeiler mithilfe von Zugisolatoren befestigt werden und nicht, wie auf hiesigen Betrieben häufig zu sehen, an Ring- oder anderen Isolatoren, die lediglich für die Drahtführung gedacht sind. Nach einer Demonstration der Abbindetechnik für Zugisolatoren durften die Teilnehmenden selbst Hand anlegen.
Als der Achterknoten, mit dem zwei Drahtenden sicher verbunden werden können, präsentiert und nachgemacht wurde, war schnell der Ehrgeiz der Teilnehmenden, wer den schönsten Knoten herstellt, geweckt. Im Anschluss durften die Teilnehmenden ihre Arbeitsproben mit auf den heimischen Betrieb nehmen.
Die Verbindung von theoretischem Input und praktischem Ausprobieren wurde von den Teilnehmenden sehr gut angenommen und der Workshop konnte Wissen vermitteln, welches aufgrund des Rückgangs der Weidehaltung teils schwer zu finden ist.
Für eine Vertiefung in die Themen rund um Weidemanagement und Tierwohl wurde ein umfassender Weideleitfaden entwickelt, der kostenlos online verfügbar ist: