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Laktationszeit optimieren – Antibiotika reduzieren Laktationszeit optimieren – Antibiotika reduzieren

Laktationszeit optimieren – Antibiotika reduzieren

Forschende und Praktizierende im regen Austausch in der Agrargenossenschaft Ranzig
Quelle: Landesforschungsanstalt MV

Milchviehhaltende und Forschende diskutierten am 1. und 2. September 2022 über erste Ergebnisse aus dem Projekt VerLak

Das Setting hätte besser nicht sein können. Bei strahlendem Sonnenschein begrüßte der Geschäftsführer Christian Rußig die Teilnehmenden der 2. VerLak-Präsenzveranstaltung in der Agrargenossenschaft Ranzig – zwischen Oder und Spree ist es ein Unternehmen mit vielen Standbeinen. Hier werden Schweine und Rinder gehalten und auf kürzestem Weg in Eigeninitiative an den Kunden gebracht. Neben der Tierhaltung und der Schlachterei wird auch auf 1.800 ha geackert. Mit freudiger Stimmung und großem Interesse startete am Anreisetag eine exklusive Betriebsbesichtigung und Hofrundführung für die im VerLak-Projekt milchviehhaltenden Personen, die aus verschiedenen Bundesländern stammen. Die Anwesenden nutzten die Gelegenheit für ausgiebige Gespräche zu ersten Erfahrungen des neuen Ansatzes in Sachen Herdenmanagement hinsichtlich des späteren Besamungszeitpunktes.

Im – von der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern (LFA) geleiteten – Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) Tierschutz "VerLak" soll durch einen später gewählten Besamungszeitpunkt mit optimierter Laktationsdauer sowie der Umsetzung des selektiven Trockenstellens in erster Linie eine Verringerung des Antibiotikaeinsatzes erzielt werden. Eine tierindividuelle leistungsangepasste Verlängerung der Laktationszeit kann ihren Beitrag dazu leisten, denn die Phase vom Trockenstellen bis hin zur Frühlaktation verursacht den Großteil der antibiotischen Behandlungen. Es erhöhen sich die Erfolgschancen des selektiven Trockenstellens, wenn hohe Milchleistungen zum Stichtag verhindert werden.

Passend zum Thema verglich Eutergesundheitsexperte Prof. Dr. Krömker am Folgetag die Antibiotikaverbräuche der Projektbetriebe (verteilt in sechs Bundesländern) mit anderen Milchviehbetrieben aus ganz Deutschland. Die zwei wesentlichen Strategien zur Verringerung der Verbräuche – Vermeidung von Infektionen und Anpassung der Therapie an die erkrankten Tiere – unterschieden sich zum Teil sehr stark. Er machte deutlich, dass dabei die Betriebsart (konventionell oder biologisch, mit oder ohne Fremdarbeitskräfte) keinen entscheidenden Einfluss hat, sondern vielmehr die Effizienz, mit der die Arbeitsroutinen in den Bereichen Haltung, Fütterung und Melken auf ihre Qualität hin geprüft werden. Niedrigere Einsatzmengen von Antibiotika sind möglich, wenn moderne und aktuelle Erkenntnisse aus der Wissenschaft beherzigt werden. Er empfiehlt:

  • unheilbar euterkranke Tiere zum Schutz der Herde zu merzen,
  • eine evidenzbasierte Mastitistherapie durch die Nutzung von Schnelltests durchzuführen,
  • die Behandlung subklinischer Mastitiden in der Laktation – bis auf einige Ausnahmen – erst zum Zeitpunkt des Trockenstellens vorzunehmen,
  • eine Behandlung nur zu verlängern, wenn der Mastitis verursachende Erreger bekannt ist und
  • ein selektives Trockenstellprogramm anzuwenden.

Dr. Fidelak vom Institut für Fortpflanzung landwirtschaftlicher Nutztiere (IFN Schönow e.V.), Tierarzt und ebenfalls Experte in Sachen Eutergesundheit, ergänzte mit einem Überblick über die bisher untersuchten 2.000 Milchproben, welche im VerLak-Projekt bei klinischer Mastitis und ca. zwei Wochen vor dem Trockenstellen im Labor untersucht wurden. Mit großem Interesse suchten die Abgesandten der Projektbetriebe ihre bakteriologischen Übeltäter in den anonymisierten Graphiken der Auswertung. Neben der Laborexpertise besitzt Herr Dr. Fidelak auch im Bereich des selektiven Trockenstell-Managements reichlich Fachkenntnisse und Praxiserfahrung. Für das MuD Tierschutz-Vorhaben wurden Strategien entwickelt, die sich an den Möglichkeiten und Zielen der projektbeteiligten Milchviehbetriebe orientieren. Festzuhalten gilt, dass sich in jedem der Projektbetriebe Antibiotika einsparen lassen. Bei der einfachsten Variante zur Behandlungsentscheidung werden Zellzahlergebnisse der letzten Milchleistungsprüfung (z.B. ab 100 Tsd. Zellen) als Indikatoren genutzt. Kombiniert mit einem bakteriologischen Befund lässt sich das Verfahren präzisieren, sodass weitere antibiotische Dosen eingespart werden können. Einige Betriebe wählten ein Konzept, bei dem ergänzend zur bakteriellen Untersuchung (BU) kurz vor dem Termin zum Trockenstellen (ca. zwei Wochen vorher) eine Zellzahluntersuchung veranlasst wurde. Zusätzlich wurde das Untersuchungsergebnis von einem Tierarzt bewertet, sodass das Einsparungspotenzial bei den antibiotischen Arzneimitteln zum Trockenstellen erhöht wurde. Es gibt mittlerweile Mastitis-Labore, die diesen Bewertungsservice anbieten. All diese Maßnahmen lassen sich steigern, in dem auch die tierindividuelle Historie der Eutergesundheit einer jeden Kuh miteinbezogen wird. 

Vom Thema des selektiven Trockenstellens wagte die Veranstaltungsorganisation einen Sprung hin zur "Haltungsform-Kennzeichnung". Das 4-stufige Label kennzeichnet Lebensmittel tierischen Ursprungs nach ihrer Tierhaltungsform in die Stufen "Eins" bis "Vier". Auch die Haltungsform hat großen Einfluss auf die Gesundheit der Tiere – bzw. die Vorbeugung von Krankheiten. Dr. Unrath von der Frankenförder Forschungsgesellschaft (FFG) gab einen Einblick zu den aktuellen und künftig zu erwartenden Anforderungen. Sein Fazit: Auch milchliefernde Betriebe werden sich prüfen lassen müssen, wenn sich die Entwicklung so fortsetzt.

Anschließend berichtete Frau Dr. Ilka Steinhöfel vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie über den Effekt einer verlängerten Zwischenkalbezeit aus Sicht der Folgelaktation.

Nach dieser Thematik verdeutlichte der Vortrag von Thomas Engelhard und Marleen Zschiesche, welche Macht hinter einer sorgfältigen Kuhbeobachtung steckt. Herr Engelhard ist Dezernatsleiter an der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt (LLG) und betreut die Milchviehherde und dessen Fütterung im Landwirtschaftsbetrieb der LLG in Iden. Er kennt die Kennzahlen aus der Praxis und weiß worauf es ankommt. Schon seit Jahren werden die Tiere in regelmäßigen Intervallen auf ihre Körperkondition bewertet (BCS - Body Condition Scoring). Bei den melkenden Kühen findet diese Bewertung parallel zur Milchleistungsprüfung statt. Die Trockensteher hingegen stehen unter genauerer Beobachtung, so dass die bewertende Person ihnen alle 14 Tage besondere Aufmerksamkeit schenkt. Dazu nutzen Herr Engelhard und sein Team die BCS-Benotung nach Edmondson et al. (1989), bei der "1" für sehr mager und "5" für sehr fett steht. Zwischen den Noten von eins bis fünf lassen sich in Abständen von 0,25 weitere Abstufungen vornehmen. Die Körperkondition und deren Veränderung sind Anzeiger für den Stoffwechselstatus und die damit verbundene Fruchtbarkeit der Kuh. Nach Empfehlung Engelhards sollten große Ausschläge vermieden werden, die durch starke übereilte Lipolyse – zu erkennen als schnelle Abmagerung – oder einer übermäßigen Gewichtszunahme in Erscheinung treten. Aus den Erfahrungen in Iden ergaben sich Standards, sodass die Note zum Trockenstellen bei 3,25 liegen sollte. Zur Kalbung hin gelten die Kühe als ausgewogen versorgt, wenn die Bewertung eine Note von 3,5 ergibt. Bei diesen Richtwerten handelt es sich um Idealzustände, wobei Abweichungen von 0,25 tolerierbar sind. In der Frühlaktation achtet das Team in Iden darauf, dass sich der Score nicht mehr als 0,75 Punkte verändert. Ab einer Änderung von einer ganzen BCS-Note stehen die Tiere unter genauerer Beobachtung. Eine Benotung von unter 2,25 sollte alarmieren und dazu animieren, Ursachen zu suchen, die zu der Unterversorgung führten. In der Zeit vom 50. bis 100. Laktationstag sollte sich dieser Trend wieder umkehren, sodass die Periode der negativen Energiebilanz abschließt und die Kuh wieder zunimmt.

Um überhaupt Veränderungen sicher feststellen zu können, braucht es eine gut dokumentierte Beobachtung des Einzeltieres. Die Bestimmung des Body Condition Scores oder der Rückenfettdicke sind in Iden als geeignetste Werkzeuge angesehen, um die Fütterung an die Energieversorgung der Kühe anzupassen. Eine optische Begutachtung des Tieres kann ergänzend wichtige Hinweise über dessen Gesundheitszustand liefern, was sich wiederum auf die Leistung des Tieres auswirken kann. 

Im Projekt VerLak ist die Verlängerung der Laktation an die Leistung des jeweiligen Tieres gebunden und wirkt so einer vielfach befürchteten Verfettung entgegen. Um dies nachweisen zu können, erfassen die Tierhaltenden auf den Versuchsbetrieben ebenfalls die Daten zur Körperkondition. Dazu wurde ein praktikables vereinfachtes Bewertungsprotokoll angefertigt. In diesem erfolgt eine BCS-Bonitur in drei Kategorien bzw. Noten: "zu mager" (Note 1), "gut" (Note 2) und "zu fett" (Note 3). Diese Einordung ermöglicht eine praktikable und einfache Umsetzung, auch unter den derzeit vielerorts schwierigen Bedingungen (Arbeitskräftemangel) und folglich den Vergleich zwischen den Versuchs- und den Kontrolltieren der teilnehmenden Betriebe. Einen ersten Eindruck der bisherigen BCS-Ergebnisse der VerLak-Betriebe gab Frau Anna-Luise Böhm von der FFG.

Die Betriebsleitenden sind optimistisch, dass sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Verlängerung der Laktation nachhaltig in die Praxis überführen lassen. Im VerLak-Projekt stimmen die ersten Erfahrungen zuversichtlich und machen Mut zur weiteren Verfolgung des Ziels einer verlängerten Laktationszeit und der Umsetzung des selektiven Trockenstellens.