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Im oberbayerischen Landkreis Rosenheim fand der vierte öffentliche Farmwalk auf dem Betrieb von Familie Vollert statt, die ihre 64 Milchkühe im Block im Herbst abkalben lässt. Während der Hochleistungsphase im Winter werden die Kühe im Stall entsprechend ihrer Milchleistung bedarfsgerecht ausgefüttert. Unter Vollweidebedingungen wäre dies bei hoher Milchleistung nicht möglich, da die Futteraufnahmekapazität der Tiere u.a. durch das Pansenvolumen begrenzt ist und der Energiegehalt des Aufwuchses nicht hoch genug ist, um den Bedarf der Tiere zu decken. Außerdem kann so die Gesundheit der Kühe um die Kalbung herum besser überwacht werden. Ab dem Frühjahr sinkt die Leistung der Kühe bedingt durch die fortgeschrittene Laktationsphase und damit auch ihr Energiebedarf. Der Energiegehalt des Aufwuchses passt nun zu den Bedürfnissen der Tiere, was die Vollweide während der Weidesaison zu einer tiergerechten Haltungsform macht.
Die Vollweide ist auch in Kombination mit der Frühjahrsabkalbung möglich. Für die Gewährung des Tierwohls ist dann aber eine Ausrichtung des gesamten Betriebes nicht nur auf professionelles Weidemanagement, sondern auch auf spezielle Weidegenetik nötig: mittelrahmige Kühe mit einem generell wesentlich geringeren Leistungsniveau um ca. 6.500 Liter pro Jahr. Das Prinzip wurde beim dritten Farmwalk, auf dem Betrieb Apelt in Nordrhein-Westfahlen, thematisiert.
Der Farmwalk wurde mit einer Einführung zum Konzept der Kurzrasenweide von Siegfried Steinberger eingeleitet. Im Gegensatz zur Umtriebsweide ist die Kurzrasenweide eine intensive Standweide, bei der der Aufwuchs konstant auf einer Höhe von sechs Zentimetern gehalten wird. Sie zeichnet sich bei korrekter Umsetzung durch eine dichte Narbe und geringe Unkrautprobleme aus.
Anhand von Schaubildern erklärte Siegfried Steinberger, welche Faktoren für den Rückgang der Weidehaltung in den letzten Jahrzehnten eine Rolle gespielt haben. Außerdem erläuterte er, wie die Weide für einen optimalen Energieertrag bewirtschaftet werden sollte, welche Vorteile die Beweidung im Vergleich zur Bereitung und Fütterung von Graskonservaten hat und wieso Herbstabkalbung und Vollweide im Sommer besonders tiergerecht sind.
Nach der Mittagspause stellte Frau Vollert ihren Betrieb vor. Sie erzählte, wie sie auf das Betriebskonzept gekommen sind und welche Vorteile dies sowohl für ihre Kühe als auch für die Familie bietet. Bei der anschließenden Hofbegehung konnten Kühe und Weiden dann mit eigenen Augen besichtigt werden.
Frau Vollert betonte, dass ihre Familie von diesem System absolut überzeugt ist und andere Bewirtschaftungsweisen mittlerweile für sie ausgeschlossen sind. Sie begründete dies vor allem mit einem Faktor, der in der Landwirtschaft oft zu kurz kommt: die Lebensqualität der Familie. Das Vollweidesystem ist im Frühjahr und Sommer nur wenig arbeitsaufwändig. Besonders während der Trockenstehzeit im Spätsommer fällt für mehrere Wochen fast keine Arbeit an, die zudem recht einfach von externen Helfern übernommen werden kann. Das entlastet und lässt Raum für Familie, Freizeitaktivitäten und Urlaub.
Die Projektlandwirt:innen besichtigten außerdem den Ökobetrieb der Familie Oberhofer in Bruckberg, einer Gemeinde im niederbayerischen Landkreis Landshut. Der Hof liegt auf 427 m ü. NN, in einer für Bayern eher trockenen Gegend mit einem mittleren Jahresniederschlag von 635 mm. Familie Oberhofer hält 72 Fleckvieh Kühe auf 24 ha. Seit 2019 sind die Tiere während der Sommermonate durchgehend auf der Kurzrasenweide und kalben ebenfalls im Herbst.
Der Betrieb zeichnet sich nicht nur durch seine Fleckviehkühe aus, sondern auch durch sein Kälbermanagement. Dieses umfasst ad libitum Joghurttränke für die Tränkkälber, welche das Interesse der Teilnehmenden weckte. Hierbei handelt es sich um eine Anreicherung der Tränkmilch mit Joghurtkulturen. Das verbessert die Verdaulichkeit und Haltbarkeit der Milch auch im abgekühlten Zustand, der bei niedrigen Außentemperaturen im Herbst und Winter schnell eintritt. Gemäß dem Erfahrungsbericht von Familie Oberhofer nehmen die Kälber die mild säuerliche Milch gerne auf, wachsen gut und sind gesund.
Außerdem werden die Kälber in Gruppen auf Tiefstreu gehalten und eine speziell mit Holz hinterzäunte Weideparzelle ermöglicht eine sichere, tiergerechte Gewöhnung der Kälber an den Weidezaun.
Die Jungtiere verbringen nach dem Absetzen ihre Sommer auf der Weide, damit sie das Beweiden im Herdenverbund erlernen können. Der erstmalige Weidegang ist auf vielen Betrieben nicht nur für die Tiere, sondern auch für die Halter aufregend. Ein versehentliches Durchbrechen der Zäune und anschließendes mühevolles Einfangen stresst Mensch und Tier. Familie Oberhofer umgeht dieses Problem mit ihrer Anlage mühelos.
Um der Exkursion das gewisse Etwas in Sachen „typisch Süddeutschland“ zu verleihen, wurde wenige Kilometer von der österreichischen Grenze eine auf 1100 Höhenmetern liegende Alm besichtigt. Anhand von Schaubildern erläuterte Sigfried Steinberger, wie die Almwirtschaft sich durch den Klimawandel verändert. Dabei ist der Zeitpunkt des Weideaustriebes von Bedeutung. Traditionell gibt es ein bestimmtes Datum, an dem die Tiere auf die Alm gehen. In den letzten Jahren hat sich die Vegetationsperiode in diesen Höhenlagen allerdings ausgedehnt und beginnt nun früher. Dadurch liegt das traditionelle Bestoßdatum mittlerweile ein bis drei Wochen hinter dem optimalen Zeitpunkt. Dieser Vorsprung kann kaum aufgeholt werden und führt zu Problemen, z.B. fressen die Tiere den älteren Aufwuchs nicht gerne, Unkräuter können sich wieder etablieren und vermehren. Dadurch sinkt die Gesamtqualität des Weideaufwuchses, was wiederum zu einer nicht optimalen Versorgung der Tiere führt. Sigfried Steinberger berichtete hier auch von einem bedauerlichen Verlust von Wissen und Können, dem es entgegenzuwirken gilt.
Am dritten und letzten Tag der Exkursion wurde der auf Jungviehaufzucht spezialisierte Betrieb von Herrn Steinberger besucht. Dieser befindet sich am Alpenrand auf knapp 800 m ü. NN. Trotz guter Niederschläge ist die Weidesaison wegen der Höhenlage kurz.
Bis zu 20 Pensionsrinder, normalerweise im Alter von drei bis 24 Monaten, kann der Betrieb beherbergen. Dabei wird Vollweide ohne Zufutter betrieben. Da auf der Jungviehaufzucht keine Flächen gemäht werden, muss der Bestand der Tiere an den Grasaufwuchs angepasst werden. Im Frühjahr, wenn der Grasbestand schnell wächst, nimmt die Jungviehaufzucht daher Tiere des Nachbarbetriebes auf. Dieser mäht einen Teil seiner Fläche. So ist eine Nutzung der Flächen im optimalen Nutzungsstadium für beide Betriebe zu jedem Zeitpunkt gegeben. Diese Art der Pensionshaltung bietet Vorteile: Sie verringert in den Herkunftsbetrieben den Weidedruck und die Jungtiere erlernen dennoch das Weiden, was die Grundlage einer hohen Futteraufnahme für die zukünftigen Milchkühe darstellt.
Insgesamt fielen die Rückmeldungen zur Exkursion sehr positiv aus. Dies war vor allem der hervorragenden Betreuung durch Siegfried Steinberger von der LfL und den von ihm vorgestellten Betrieben zu verdanken. Die Kenntnisse und Empfehlungen des Weideexperten konnten vor Ort in Aktion angeschaut werden, wodurch schöne Diskussionen zustande gekommen sind.
Die Projektbetriebe fragten bereits während der Exkursion nach weiteren Informationen zur Joghurttränke und einer der Betriebe wägt ab, wie er sein Management möglichst störungsfrei auf Blockabkalbung im Herbst umstellen kann. Auch die externen Besucher des Farmwalks bei Familie Vollert diskutierten angeregt rund um die Themen Kurzrasenweide und saisonale Abkalbung. Eine Teilnehmerin wollte nach einigen Jahren reiner Stallhaltung wieder mit der Weidehaltung beginnen und erklärte, dass sie sehr froh war, teilgenommen zu haben und die Veranstaltung inspiriert und mit einer besseren Idee des Idealzustandes verlässt.
Von der Exkursion wird aktuell ein Video erstellt.